Vielen Dank an die liebe Tempest, die für mich ihre allererste Rezension verfasst hat! Ich möchte gern mehr solcher Beiträge lesen! :3
Infos zur Kurzgeschichtensammlung
Titel: Sunset
Originaltitel: Just After Sunset
Originaltitel „Die Höllenkatze“: „The Cat from Hell“
Übersetzer: Wulf Bergner
Erscheinungsjahr: deutschsprachige Taschenbuchausgabe: 2010
Erscheinungsjahr „Die Höllenkatze“: im Original 1977
Seiten: 478
Seiten „Die Höllenkatze“: 19
Verlag: Heyne
Patrick von DerStigler fragte mich bereits im Sommer, ob ich einen Beitrag zu seinem Halloween-Special einreichen möchte. Begeistert sagte ich zu und ich freue mich sehr über die Anfrage und Teilnahme. An dieser Stelle nochmal einmal vielen Dank für das Vertrauen. Dies ist nämlich meine allererste Review. Ich hoffe, er und alle anderen Katzenliebhaber werden mir die Wahl für diese Rezension verzeihen. 😉
Wenn es um Halloween geht, darf Stephen King als Meister des Grauens natürlich nicht fehlen. Meine Wahl für eine Review fiel allerdings nicht auf einen Roman, sondern auf eine seiner unzähligen Kurzgeschichten, die ebenfalls Beachtung finden sollten, da doch einige bereits spannend verfilmt wurden, wie zum Beispiel Das geheime Fenster (Novelle) mit Johnny Depp, Zimmer 1408 mit John Cusack und Samuel L. Jackson oder Der Nebel mit Thomas Jane. Und gerade diese Geschichte passt einfach perfekt zu Halloween.
Wer die erzählerischen Mittel von Kurzgeschichten, die so spezifisch für diese Gattung sind, kennt, ist sich dessen bewusst, dass das Ende meist offen bleibt, keine abschließenden und ausführlichen Erklärungen geboten werden und Charaktere nicht so ausgebaut werden können wie beispielsweise in Romanen. Weiterhin hinterlassen viele Kurzgeschichten größeren Interpretationsspielraum und auch oft Fragezeichen. Gerade diese Aspekte machen jedoch den speziellen Charme von Short Stories aus, die in der amerikanischen Literaturgeschichte von größerer Bedeutung als bei uns sind. Stephen King reiht sich als Meister des Grauens perfekt in diese auch kulturell wichtige Gattung ein und liefert dabei abwechslungsreiche Texte, die sich verschiedenen Genres wie Horror, Science Fiction oder auch mal gar nicht so eindeutig zuordnen lassen. Insbesondere in seinen Kurzgeschichten schafft er es, das Unbegreifliche noch schwerer greifbar zu machen. Es erfordert Kunst und Können, auf wenigen Seiten viel Wirkung zu erzielen und dabei muss nicht einmal viel erzählt werden. Deshalb ist es bedauerlich, dass die meisten Rezensionen seine längeren Erzählungen – Romane – behandeln und seine Short Stories vernachlässigen. Dies möchte ich mit diesem Beitrag ändern.
Handlung
Der Profikiller John Halston erhält einen ungewöhnlichen neuen Auftrag. Er soll für Drogan, der ein Pharmaunternehmen besitzt, eine Katze töten, die sich in den letzten Monaten in seinem Haus eingenistet hat. Drogan, der über vier Jahre ein Medikament an insgesamt 15.000 Katzen testen ließ, vermutet, dass sie von einem Dämon besessen seiund Rache üben möchte. Denn es sind seit ihrer Anwesenheit drei Personen verstorben: seine Schwester Amanda, ihre Lebensgefährtin Carolyn Broadmoor und der Diener des Hauses Dick Gage. Für diese ungewöhnlich häufigen Todesfälle macht Drogan die Katze verantwortlich. Da Halston 12.000 Dollar Honorar bekommen soll, nimmt er trotz der Erzählungen und seinem zunehmenden Unbehagen den Auftrag an. Er verfrachtet die Katze in sein Auto, um ihr an einem abgelegenen Ort den Hals umzudrehen. Doch diese vermeintlich leichte Aufgabe entwickelt sich zu einem Horrortrip…
Review
Vorab eine Warnung: Es folgen unvermeidbare, eher kleinere Spoiler, auch wenn ich versuche so wenig wie möglich zu verraten.
Schon allein der Titel verrät, dass der Gruselfaktor durch das vor allem im Horrorgenre und in der Schauerliteratur beliebte Motiv der magischen, unheimlichen, gar mörderischen und rachenehmenden Katze entsteht, die hier keine Nebenfigur, sondern handlungstragende Antagonistein ist. Dies erinnert mich zum einen an Stephen Kings erfolgreichen Roman Friedhof der Kuscheltiere und zum anderen stark an die Kurzgeschichte „Die schwarze Katze“ von Edgar Allan Poe, der wie H. P. Lovecraft als ein Vater der modernen Horrorliteratur ein Vorbild für Kings literarisches Schaffenswerk ist. Bereits das Katzenmotiv scheint schon vielversprechend, wenn man sich bis zur Gänsehaut fürchten möchte. Dies war auch ein Grund für meine Auswahl hinsichtlich des Halloween-Specials. Diese Geschichte ist perfekt dafür.
Über den Auftragskiller Halston erfährt die Leserschaft den Grad seiner Professionalität, seine Menschenkenntnis hinsichtlich seiner Opfer und seine Abgebrühtheit hinsichtlich des Todes. Dies sind selbstverständlich Eigenschaften, die wohl in einer Stellenbeschreibung für diesen Beruf stehen würden. Der Auftraggeber Drogan sitzt im Rollstuhl, riecht nach Alter und Angst und ist bereits sehr geschwächt. Er hat wohl einen sprechenden Namen, denn er besitzt, wie bereits erwähnt, ein Pharmaunternehmen und im Englischen ist drugsein Wort für ‘Medikamente’. Sprachlich findet sich Stephen Kings typischer Stil: Nicht zu anspruchsvoll und doch sehr kreativ. Es finden sich viele Metaphern, Umgebung und Atmosphäre beschreibend, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die Dialoge sind in realistischer Umgangs- und Alltagssprache gehalten, was die Figuren auch glaubhaft wirken lässt, auch wenn eine Kurzgeschichte keine intensive Charakterdarstellung- und Entwicklung zulässt. Die Geschichte ist in der personalen Erzählperspektive verfasst. Wir erleben sie aus der Sicht von Halston, dessen Innenwelt in Form von erlebter Gedankenrede und zum Ende hin auch in Form von innerem Monolog gezeigt wird. Es steigert selbstverständlich die Dramatik, wenn die Leserschaft das Grauen und die (Todes-)Angst aus der Perspektive einer oder mehreren Figuren miterlebt. All diese Erzähltechniken sind nicht umsonst ein beliebtes Mittel in Stephen Kings Erzählungen.
Katzen sind eigentlich Halstons Lieblingstiere, die er gedanklich als Killermaschinen beschreibt. Er meint Sam, den Kater, zu kennen, als sie sich anstarren. Die altbekannte Beschreibung der eindringlichen Augen und des Wesens vonKatzen ist hier ganz typisch; die Katze als mystisches Wesen, mit dem Blick aus dem und ins Jenseits. Trotzdem langweilt man sich als Leser:in nicht, diese Beschreibungen zum wiederholten Male zu lesen. Drogan lässt es zu, dass die Katze sich schnurrend in seinem Schoß niederlässt und streichelt sie liebevoll. Im Gegensatz dazu wird deutlich, wie sehr Drogan Katzen hasst und sie verabscheut. Halston wirkt zwar wie der stereotypische Auftragskiller, pragmatisch und auch nicht abergläubisch, als Drogan seine Theorien hinsichtlich der Katze zum Besten gibt, aber er zeigt Sarkasmus, der aus seinem Mitgefühl für die von Drogan gequälten und getöteten Katzen heraus entsteht. Im späteren Verlauf wird deutlich, dass sich Halston mit Katzen verbunden fühlt, weil sie wie er Einzelgänger sind. Drogan hingegen erscheint wie der typische erbarmungslose, skrupellose Pharmaunternehmer, der Tierversuche mit dem Nutzen für die Menschheit rechtfertigt. Trotzdem sickert seine Angst vor der Katze und vielleicht auch etwas Schuldgefühl durch. Dies zeigt sich alleine dadurch, dass er die Katze für gefährlich hält und er die Todesfälle nicht logisch erklärt, obwohl es eigentlich rationale Gründe und Ursachen gibt.
Die Todesfälle werden von Drogan kurz beschrieben, aber wir erleben sie dennoch mit, denn Halston versucht sich vorzustellen, inwiefern die Katze Sam daran beteiligt gewesen sein oder vielmehr dafür verantwortlich gewesen sein könnte. Die in sich in seiner Vorstellung lebhaft abspielenden Ereignisse lassen sogar ihn als hartgesottenen Mörder schaudern und er bekommt es fast mit der Angst zu tun. Fast immer schnurrt die Katze bei ihrer vermeintlichen Tat liebevoll, wirkt unschuldig und harmlos und dabei trotzdem gefährlich. Möchte man glauben, dass die Katze weiß, was sie tut, fällt es nicht schwer, die Hinterhältigkeit, die Katzen so oft unterstellt wird, für begründet und realistisch zu halten. Gleichzeitig wirkt aber auch ihre Unschuld glaubhaft. Woher soll sie wissen, dass ihre Kuschelbedürftigkeit eine Gefahr für alte, kranke und schwache Menschen darstellt? Ihre Fellzeichnung scheint tatsächlich metaphorisch für die zwei Seiten und das eigenwillige Verhalten einer Katze, insbesondere dieser – eine unwissentliche liebevolle Mörderin auf Samtpfoten – zu stehen: Ihr Gesicht ist genau in der Mitte geteilt und zwar halb schwarz und halb weiß – die Farben spiegeln ihr helle und ihre dunkle Seite, ihre Eigenwilligkeit, ihre Zwiespältigkeit, die Gefahr, die in ihrer Zärtlichkeit steckt. Es ist nicht überraschend, warum Katzen ein beliebtes Motiv der Horrorliteratur sind. Eigentlich ist nach ca. 13 Seiten, also fast zum Ende der Geschichte noch nicht viel passiert außer in der Fantasie von Halston, doch das reicht schon aus, um böse und ungute Vorahnungen zu spüren. Es ist dieser unterschwellige Grusel, dieses erwartungsvolle Grauen, was fast unheimlicher ist als tatsächliche Ereignisse. Wer King kennt, kann zwar vermuten, dass die Erzählung nicht positiv verlaufen wird und grauenhafte Ereignisse folgen könnten – immerhin handelt es sich doch anscheinend um eine dieser hartnäckigen, widerstandsfähigen Katzen, die man nicht loswird und die immer wiederkehren, sei es lebendig oder aus dem Jenseits – , aber das tut der Spannung keineswegs einen Abbruch. Im Gegenteil, man überlegt sich bereits, wie angsteinflößend oder gar blutrünstig es noch werden oder ausgehen könnte. Bei King, vor allem bei seinen Kurzgeschichten, weiß man aber nicht unbedingt, was zu erwarten ist. Die Leser erleben des Öfteren Überraschungen. Über das Ende sei natürlich nichts verraten, aber es sei gesagt, dass ihr wirklich starke Nerven braucht. Besser wäre ihr seid wirklich abgehärtete Horrorfans, denn selbst mir als großer Fan von Stephen King und Horror wurde beim für die Rezension erneuten Lesen ganz anders zumute.
Fazit
Absolut lesenswert und eine perfekte Lektüre für Halloween. Man sollte zwar meinen, dass es wenig originell ist, wieder einmal die mörderische Katze als handlungstragendes Motiv mit den verschiedensten Mythen über sie vorzufinden, allerdings erkennt die Leserschaft trotzdem Stephen Kings Handschrift; die unheimliche Katze zieht einfach immer noch und die Geschichte ist ein Muss für Horrorfans. In „Die schwarze Katze“ von Edgar Allan Poe wehrt sich die Samtpfote gegen die Misshandlungen, die sie und ihre liebende Besitzerin vom alkoholabhängigen Ehemann der Katzenliebhaberin erfahren und ist so gar nicht sanft. Als dieser letztendlich seine Frau ermordet und im Keller einmauert, verrät ihn die Katze als die Polizei eine Hausdurchsuchung vornimmt. Auch in Kings Kurzgeschichtenimmt Katze Rache an einem Tierquäler. Allerdings endet diese Geschichte brutaler und ist somit nichts für schwache Gemüter. Sie lässt einen sich nicht nur gruseln, sondern auch ekeln und sie mutiert sogar zu einem Schocker. Wer wie ich von Stephen King das Schauerlichste erwartet, wird hier auf jeden Fall nicht enttäuscht. Er erzeugt das pure Grauen und Entsetzen. Wo sich bei Poe eher unterschwelliges Grauen findet, steigert sich Kings Geschichte in blutrünstiges Schrecken. Sie beginnt wie die typische Schauerliteratur – ein kaltes, düsteres Haus im Winter, in dem der Tod daheim ist – endet aber als schrecklicher Horror. Zugleich findet sich doch auch Kritik an Tierversuchen und es wird gezeigt, dass Tiere sehr wohl fühlende und denkende Lebewesen sind, wofür die eigenwilligen und in der Persönlichkeit zwiespältigen Katzen durchaus Paradebeispiele sind, was jeder Mensch weiß, der eine Katze als Haustier hat. Nicht umsonst sind sie ein wiederkehrendes Motiv in der Horror- und Schauerliteratur.